„What goes up must come down …“
Im Sommer 1992 zieht sich Hans Overlack endgültig aus der Geschäftsführung zurück und übernimmt den Vorsitz des Beirats.

 

1992 Stabübergabe

Das Jahr 1992 geht aus zwei Gründen in die Firmengeschichte ein: Das neu erbaute, große Lagergebäude wird im November eingeweiht, noch wichtiger aber ist die Stabübergabe vom Vater an den Sohn, die schon im Sommer erfolgt. Hans Overlack überlässt die Führung der Geschäfte von nun an ganz seinem Sohn Peter, der bereits seit vier Jahren im Unternehmen arbeitet und sich gründlich auf seine künftigen Aufgaben vorbereitet hat.

Die PENTA, der Einkaufsverbund der Chemikalienhändler in Deutschland feiert ihren 25. Geburtstag. Inzwischen gibt es 16 Gesellschafter, die gemeinsam einen Jahresumsatz von 800 Millionen DM erzielen und 1100 Mitarbeiter beschäftigen. Noch gehört Overlack als wichtiger Partner dazu.

Gründung der Gesellschaft in Tschechien Conlac Bohemia, 1992
heute: OQEMA, Tschechien


Das Kreativ-Team während der Arbeit

Das Kreativ-Team nach getaner Arbeit

Der Künstler: Horst Lerche

Der Macher: Werner Fleischer

Die bunten Decken im Jahr 2022

1993 Kunstprojekt: Die bunten Decken

Der junge Chemiehändler, der gerne auch Architekt oder Künstler geworden wäre, sorgt zunächst einmal dafür, dass sein Schreibtisch in inspirierender Umgebung steht. Er bittet den Künstler Horst Lerche um ein Farbkonzept für die Decke im 2. Obergeschoss des Overlack-Hauses. In Gemeinschaftsarbeit wird über einige Tage hinweg das Trägermaterial montiert, dann legt der Künstler Hand an. Die leuchtend bunten Decken sorgen bis heute für eine kreative Arbeitsstimmung im Team Anorganika.


 

Vision I – „Handeln. Zwischen Gestern und Morgen.“

1994 Vision I

„Wer nicht gestaltet, verliert“ ist Peter Overlack mit Edzard Reuter überzeugt. Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit als verantwortlicher Geschäftsführer beschäftigt er die Entscheidungsträger seiner Firma mit der entscheidenden Frage nach der Zukunft. Das Ergebnis dieser Überlegungen wird als „Vision 2010“ in einer ansprechenden Broschüre publiziert.

Die „Gebr. Overlack“ stehen zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Hauptsitz in Mönchengladbach und der sehr erfolgreichen Kölner Dependance Arnsperger sowie drei Filialen unter dem Namen Conlac in Holland, Leipzig und Pilsen am Beginn eines dynamischen Wachstums. Keck und selbstbewusst ist man sowieso: „Wir stellen uns den Anforderungen des Marktes. Wir sind aggressiv und dynamisch. Wir haben keine Angst vor Fehlern. Wir haben Mut zum Risiko, sind offen für Neues. Wir mögen das Wagnis.“ Von hier aus ist es nur noch ein kleiner Schritt zur erwünschten Fremdwahrnehmung: „Man schätzt, verehrt und fürchtet uns.“


Peter Overlack (malt seine Kinder Fanny, Till und Nele): Warten. Öl auf Leinwand, 2000

 

 

1995 Väter und Söhne

Väter haben es nicht leicht mit ihren Söhnen. Söhne haben es nicht leicht mit ihren Vätern. Das ist normal. Es gilt, Selbst- und Fremdwahrnehmung auszubalancieren, respektvoll in die Vergangenheit zu schauen und zugleich mutig in die Zukunft. Keine Kleinigkeit.

In einem vermutlich niemals verschickten Begleitschreiben zum Protokoll einer Beiratssitzung schreibt sich der Sohn im März 1995 seinen Frust von der Seele:

„Keinen Zweifel will ich daran lassen, dass der persönliche Arbeitsschwerpunkt der früheren Seniorgeschäftsführung, über Jahrzehnte hinweg, die finanztechnische und steuerrechtliche Optimierung der Firma war. Keinen Zweifel will ich auch daran lassen, dass sogar unser Wirtschaftsprüfer gelegentlich äußerte, man könne von Hans Overlack lernen.

Keinen Zweifel will ich allerdings auch daran lassen, dass ich aus heutiger unternehmenspolitischer Sicht heraus diese Schwerpunktsetzung für sekundär halte, für mich ganz andere Handlungs- und Einsatzziele als vorrangig entdecke und glaube, unserer Firma nur suboptimal zu dienen, wenn ich Experte im Rechnungswesen werde – und entsprechend weniger Zeit für andere Fragestellungen aufwende.

Ich bin der festen Ansicht, dass meine Kenntnisse im Finanzbereich nicht perfekt, aber ausreichend sind – so wie meine Kenntnisse im Gefahrgutrecht nur begrenzt, für meine Aufgabe aber ausreichend sind; so wie meine Kenntnisse in Details des Verkaufsgeschäftes, der Personalführung, der EDV, etc. immer schlechter sind, als die Kenntnisse der von mir für diese Aufgaben eingesetzten Mitarbeiter.

In diesen Ansatzpunkten drückt sich moderne, qualitativ hochwertige Führung aus: akzeptieren können, dass verschiedene Sachbereiche in der eigenen Firma von Mitarbeitern besser bewältigt werden können als vom Chef selber; Beschaffung und Zuordnung der geeigneten Mitarbeiter für und zu diesen Aufgabenfeldern; Bewältigung der anstehenden Tagesprobleme gemeinsam mit den Abteilungsverantwortlichen im Team.

Die beschriebenen Grundstrukturen meiner Form der Unternehmensführung sind elementar mit meinen persönlichen Grundstrukturen verknüpft. Ich erkenne also weder einen sachlichen Zwang zur Änderung dieser Vorgehensweise, noch sehe ich eine persönliche Möglichkeit zur Änderung dieser Dinge bei mir.“


Da staunen die Herren: bei einem Pressetermin präsentieren Senior (hinten, Mitte, im weißen Mantel) und Junior Overlack (ausnahmsweise mal mit Krawatte und deshalb nur schwer auszumachen) den Repräsentanten des VCH (Verband Chemiehandel) ihr tolles neues Lager und erläutern, wohin die Millionen für die Sicherheit im Detail geflossen sind.

1996 Memento Mori

„Stagnation ist Rückschritt: ein grundsätzliches Phänomen!“ weiß der Junior, der einen Brief an den Designer der Imagebroschüre schreibt: „Betriebe in einer wachsenden Wirtschaft, die selber nicht wachsen, also auf dem gleichen Niveau verharren, verändern sich in ihrer Größe relativ zu ihren Mitbewerbern nach unten; sie schrumpfen. Das gilt ganz besonders für den Chemiehandel. Die Branche befindet sich in einem Konzentrationsprozess, der lange überfällig und in anderen Ländern bereits sehr viel weitgehender vollzogen ist. Zu den aufkaufenden, d.h. größenmäßig dadurch wachsenden Unternehmen gehören immer dieselben: Brenntag, Biesterfeld, Klöckner. Zu den abgebenden und damit ihre Marktexistenz beendenden Unternehmen gehören auch immer dieselben: Firmen wie Overlack.

Es wäre töricht zu glauben, man könne sich ohne fundamentale Änderung der eigenen Struktur gegen Marktgesetze stemmen. Bleibt Overlack wie es ist, so wird im Laufe der nächsten 10–30 Jahre das Ende der Individualität dieses Unternehmens vollzogen werden. Wann genau auch immer, gegenüber wem auch immer, von wem auch immer.“


Peter Overlack: Tristeza nao tem fim, felicidade si. Traurigkeit hat kein Ende, Glück schon. Öl auf Leinwand

 

1997 Abschied

Seit einigen Jahren schon verdient die Firma mehr schlecht als recht. In seinen Berichten während der jährlich stattfindenden Gesellschafterversammlungen nimmt der junge Geschäftsführer kein Blatt vor den Mund: „Der stagnative Prozess, in dem wir uns seit mittlerweile 10–15 Jahren eindeutig ablesbar befinden, hat sich weiter verschärft. Neue Unternehmen, die nennenswerte Verbräuche in Chemikalien haben, gründen sich in unserer Region regelmäßig nicht mehr. Stattdessen ist der Exodus von Produktionsunternehmen zu beklagen, die zu unserer Kundenstruktur zählen (Migration in andere europäische Länder) sowie die nicht zu unterschätzenden Auswirkungen von Konkursen, die häufig ebenfalls Kundenunternehmen betreffen. Diese grundsätzliche Tendenz ist langfristiger Natur und begleitet uns, von konjunkturellen Schön- oder Schlechtwettereffekten nur partiell überlagert, auch in die Zukunft.“ Erneut macht er deutlich, wie wichtig ihm eine bessere Kapitalausstattung des eigenen Unternehmens ist, damit „wir die in unserer Stammregion nicht mehr erzielbaren Wachstumseffekte durch Akquisition und exterritoriale Neugründungen kompensieren“ können. Die Gesellschafter sollen durch die Akzeptanz einer zurückhaltenden Ausschüttungspolitik ihren Beitrag zum Wachsen und Gedeihen der Firma leisten.

Hat er seine Tante Ursula mit diesen Ausführungen erschreckt? Jedenfalls beschließt die Witwe von Eduard Overlack, sich zum Jahresende 1997 von ihrem verbliebenen Firmenanteil in Höhe von 26 Prozent zu trennen. Sie wendet sich an die Familie von Hans Overlack, der über die Jahrzehnte hinweg unermüdlich die Anteile von Vettern und Cousinen zusammengekauft hat. Dieses Mal übernimmt (und finanziert) Peter den Löwenanteil des Anteilserwerbs. Der Kaufpreis überschreitet deutlich die gesellschaftsvertraglich vorgegebenen Regelungen.

Damit ist nur noch eine der drei Gründer-Familien am Unternehmen beteiligt. Gut, dass Senior Lutz das nicht mehr miterleben muss …

Gründung der Gesellschaft in Polen
heute: OQEMA, Polen

Gründung der Gesellschaft in den Niederlanden    
heute: OQEMA, NL (Eindhoven)


 

Fax vom Sohn an den Vater. Seinen sarkastischen Humor verliert der Junior auch diesmal nicht: „Lieber Hans, ich hoffe, die Zahlen sind so klein, dass Du sie nicht lesen kannst. Denn Freude machen sie nicht.“

1998 Schlechte Ergebnisse

Auch wenn der Jahresumsatz inzwischen bei 120 Millionen DM liegt, die Gewinne sind unbefriedigend: es gibt Renditelücken, Deckungsbeitragsunterschreitungen und Kostenüberschreitungen. So soll, so darf es nicht weitergehen! Das Beratungsunternehmen Roland Berger ist mit zwei Teams vor Ort und bearbeitet strategische Fragen. Dabei geht es tatsächlich auch um die grundsätzliche Frage, ob man das Unternehmen nach dem Motto „Schmücke die Braut!“ auf den Markt bringen und einen potenten Käufer suchen solle. Es ist die Zeit, da die Brenntag viele mittelständische Chemiehändler aufkauft und dem eigenen Konzern einverleibt. Die Mitarbeiter zeigen sich nervös; wie sicher ist ihr Arbeitsplatz noch?

Der Geschäftsführer ärgert sich insbesondere über einen aggressiven Wettbewerber: „Die Aktivitäten unseres Wettbewerbers H. aus O., gesteuert durch Herrn Dr. M., dessen Handeln in erster Linie gekennzeichnet ist von Rachegefühlen, Minderwertigkeitskomplexen, maßlosem Ehrgeiz, leider ausgeprägtem Händlergefühl bei allerdings niedrigen betriebswirtschaftlichen Kenntnissen, dauern an und haben unser Unternehmen im Geschäftsjahr 1998 etwa 750.000 DM gekostet.“

 

Arbeiten von Carl Emmanuel Wolff – „Ehepaarleuchter“ (1999) und „Großer Tisch“ (1995) im „Paarzimmer“ in der Villa

1999 Kunst

Inzwischen ist die Kunst zur unübersehbaren Konstante bei den „Gebrüdern“ geworden. Natürlich kann man bei Betrachtung der einzelnen Kunstwerke geteilter Meinung sein, findet sogar der Geschäftsführer, aber die Resonanz sei doch „durchweg positiv. Wir sind uns bewusst, dass wir mit der bestehenden Eingangs- und Besprechungssituation Umstände geschaffen haben, die unsere Besucher zum Nachdenken bringen. Nicht jeder findet alles, was er sieht, spontan und für sich persönlich toll oder begeisternd. Keiner verlässt hingegen den Raum, ohne zu denken: interessant – die haben ja mal etwas ganz Neues gemacht – so etwas habe ich noch nie gesehen – … mit entsprechenden Rückschlüssen auf das Arbeits- und Organisationsverhalten und das Auftreten unserer Firma im Markt. Genau diese Umstände waren beabsichtigt und werden von der Geschäftsführung für unverändert wichtig gehalten.“ So festgehalten in einer Gesprächsnotiz zur Beiratssitzung vom Dezember 1995.


Aus dem Organigramm wird eine Holdingstruktur ersichtlich, die Overlack mit seiner aktuellen Spannweite noch nicht braucht, aber die nützlich ist, wenn man flexibel mit Beteiligungen umgehen, Partner mit ins Boot nehmen oder eine neue Firma gründen will. „Viele kleine bewegliche Schiffchen sind besser als ein großer Tanker“, glaubt Peter Overlack, der ohnehin immer gerne an die Zukunft denkt.

2000 Wachstum II

Unter dem Titel „Zeichen stehen auf Expansion“ widmet die Fachzeitschrift „Chemiehandel und Logistik“ der Overlack Gruppe einen Hintergrundbericht. Deren Jahresumsatz beträgt inzwischen 150 Millionen DM, und nach einer schwierigen Phase der Konsolidierung richtet man erneut den Blick nach vorn. Die Struktur der Chemiedistribution in Deutschland wird sich absehbar und grundlegend verändern, die Zahl der Wettbewerber kleiner und die verbleibenden Einheiten größer werden. Das Overlack-Team hat intensiv über seine Zukunft nachgedacht: man will vorne mitschwimmen, lieber fressen als gefressen werden.Seit 1999 verstärkt der Vertriebsprofi Uwe Stahmann mit beständiger guter Laune und gewinnendem Wesen das Vorstandsteam. Als Finanzprokurist achtet Hans Peter Eßer seit Mitte 1998 auf die Zahlen. Beide werden bis zu ihrer Pensionsgrenze im Unternehmen bleiben – und darüber hinaus. Was für ein Gewinn! 

Kauf Hanf & Nelles, Düsseldorf    
heute: Teil der OQEMA GmbH, Deutschland


 

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2001 Der Brenntag-Krieg

Auch wenn sich die Wogen langsam glätten und zunehmend bessere Ergebnisse im Unternehmen erzielt werden … – ein aggressiver Wettbewerber reicht aus, um das im Laufe von Jahrzehnten ausbalancierte Miteinander der verschiedenen Chemie-Distributoren und ihren respektvollen Umgang miteinander binnen kürzester Frist auszuhebeln.

Die Brenntag AG aus Mülheim an der Ruhr (bis heute die weltweite Nummer 1 in der Chemiedistribution) träumt von einer Marktbereinigung und knöpft sich zunächst den nahegelegenen Chemikalienhändler aus Mönchengladbach vor. Im November 1999 beginnt sie einen hartnäckigen Unterbietungs-Wettkampf im Bereich der Anorganika, auf den die Gladbacher nicht verschreckt, sondern kämpferisch antworten. „Wie Du mir, so ich Dir“ lautet deren Devise, und nun trudeln die Preise auch im Bereich der Organika ins Bodenlose. In diesen Abwärtsstrudel geraten binnen weniger Wochen sämtliche Chemikalienhändler der Region – tiefrote Zahlen allüberall!

Gut für die Kunden – schlecht für die Händler! Diese Auseinandersetzung zieht sich bis ins Jahr 2003, bevor sie schließlich ausgeht wie so manches Theaterstück: Viel Lärm um Nichts. Overlack ist unverändert am Markt und hat fest vor, dort auch zu bleiben.